BURGDORF (gb). Mario Röllig, Jahrgang 1967, ist offen schwul und ein gefragter "DDR-Zeitzeuge. Eine schwule Liebesgeschichte ist der Ausgangspunkt seines Dramas - 1985 lernte Röllig auf einer Reise nach Ungarn in Budapest einen Politiker aus West-Berlin kennen. Er versucht über die grüne Grenze von Südungarn nach Jugoslawien zu fliehen, um zu seinem Freund in West-Berlin zu gelangen. Doch die Flucht misslingt. Über Umwege und mit Verzögerungen gelangt Röllig schließlich doch in den Westen. Röllig wird "freigekauft". Mit dem Verein für Jugend- und Erwachsenenbildung "Multivision" war Mario Röllig am vergangenen Freitag als Zeitzeuge zum Thema "Fluchtpunkte! - Perspektiven auf Flucht aus, in und nach Deutschland" Gast bei den Berufsbildenden Schulen Burgdorf (BBS).

Mit den "Multivision"-Moderatoren Patric Dujardin und Jannes Umlauf diskutierten etwa 150 BBS-Schüler/innen im Rahmen dieses Demokratieprojekttags über Fluchtursachen und Integrationschancen, aber auch über Ängste und Bedenken angesichts der weltweiten Wanderungsbewegungen. Schirmherrin des Projekts ist Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Gesine Schwan (SPD).

Nach einem Einstieg in die Grundlagen und Begrifflichkeiten der Thematik sowie nach den Erzählungen von Mario Röllig über seine persönlichen Fluchterfahrungen, setzte sich ein Podium mit Barbara Gebbe (Diakonie Hannover-Land/Migrations- und Integrationsberatung), Marion Jakobi und Claudia Ohnesorge (Nachbarschaftstreff Ostlandring Burgdorf) sowie Mario Röllig und Yaha Alshaer zusammen. Yaha Alshaer floh aus seiner ausgebombten syrischen Heimatstadt Aleppo über Izmir (Türkei) und die so genannte "Balkanroute" nach Deutschland. In Burgdorf wurde er vom Nachbarschaftstreff und vom Burgdorfer Mehr-Generationen-Haus (BMGH) betreut und begleitet. Derzeit ist er in der Gastronomie des Gasthaus`& Hotel Bähre in Ehlershausen beschäftigt. Während sich Röllig mittlerweile als "integrierter Berliner und Europäer" fühlt, wird es bei Menschen wie Yaha Alshaer gut einen Zeitraum von einer Generation (25 Jahre) dauern, bis sie in ihrer neuen Heimat annähernd richtig angekommen seien, so Barbara Gebbe. Marion Jakobi appellierte an die Jugendlichen, den (jungen) Geflüchteten als Menschen zu begegnen und Yaha Alshaer bat: "Unsere Kinder lernen schnell, aber wir brauchen viel Zeit. Wir sind keine "Monster", sondern Menschen."

Auf dem weiteren Weg in Deutschland hilft der Burgdorfer Nachbarschaftstreff den Ankömmlingen aus fremden Ländern und Kulturen "Stolpersteine aus dem Weg zu räumen", so Claudia Ohnesorge.
Zum Abschluss mahnte Röllig die BBS-Schüler/innen: "Bleibt unbequem, mischt euch ein und engagierte euch - unsere persönlichen Freiheiten sind nicht so selbstverständlich und sicher, wie wir vielleicht glauben."

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Diskussion zum Thema "Fluchtpunkte!" mit Mario Röllig (von links), Barbara Gebbe, Claudia Ohnesorge, Yaha Alshaer und Marion Jakobi. Foto: Georg Bosse

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Für den Gedankenaustausch fing Patric Dujardin (li.) die Wortbeiträge der BBS-Schüler/innen ein. Foto: Georg Bosse