Schulen ergreifen die Initiative: Prävention soll Phänomen bremsen – Mobbern fehlt Unrechtsbewusstsein
Spielszene: 18 Stunden lang eingeschlossen
im Kartenraum hat Mobbingopfer Jürgen Rickert
(Andreas Püst) die ganze Erde mit dem
Finger auf der Landkarte bereist.
Foto: Sandra Köhler (Anzeiger Burgdorf)
Theaterstück macht die Schüler beklommen
Provokation regt zum Nachdenken an
VON SANDRA KÖHLER (Anzeiger Burgdorf)
Mobbing, das ist den 120 Schülern aus acht Klassen der BBS spätestens nach der Aufführung klar, ist kein Kavaliersdelikt. Wie sehr ein Opfer unter systematischer Herabsetzung leidet, bringt ihnen Schauspieler Andreas Püst vom Schauspielkollektiv Neues Schauspiel Lüneburg mit dem Einmannstück „Erste Stunde“ beklemmend intensiv nahe.
„Ich bin der Neue. Okay, bringen wir es hinter uns. Ich gebe Euch fünf Minuten. Fünf Minuten, in denen könnt Ihr mit mir machen, was Ihr wollt. Aber danach habe ich Ruhe für den Rest der Stunde.“ So fordert Püst in seiner Rolle als Jürgen Rickert die Schüler als vermeintlich neue Klassenkameraden am Anfang zum Mobbing geradezu auf. Erzählt von allen erlittenen Peinigungen, die darin gipfeln, dass er, 18 Stunden lang eingeschlossen im Kartenraum, seinen eigenen Urin trinkt.
Verunsichertes Kichern, Wegdrehen, Ignorieren. Für die Schüler ist es schwer mitanzuschauen, wie jemand einen derartigen Seelenstriptease hinlegt: „Das ist doch krank.“ Betroffen macht sie das Stück trotzdem: Weil beim Zuschauen auch eigenes Erleben und bekannte Gruppendynamik hochkommen, wie Püst erklärt. Umso wichtiger ist die Nachbereitung der Aufführung.
Im Gespräch mit dem Schauspieler und Julia von Thön, einer Fachkraft für Kriminalprävention, erkennen die jungen Leute: Jeder kann zum Opfer werden. Egal, ob Erscheinung oder Verhalten, vermeintliche Dummheit oder Migrationsherkunft: „Man findet immer etwas an jedem, wenn man will“, formuliert es eine Schülerin.
Zum Schluss haben die Fachleute noch Tipps, um dem Mobbing Herr zu werden: „Sucht Unterstützung im Klassenzimmer, wendet Euch an die, die nicht mitmachen. Das sind häufig die meisten. Wenn Ihr Euch zusammentut, könnt Ihr das Mobben beenden.“